Viktorianische Ära: Inneneinrichtungstrends und ihr Erbe

Die viktorianische Ära war eine Zeit des Umbruchs, Reichtums und ständiger Veränderung. Dieser Zeitabschnitt, der zwischen 1837 und 1901 das Vereinigte Königreich prägte, hinterließ auch im Bereich des Interior Designs weltweit markante Spuren. Deutsche Wohnkultur griff viele Aspekte dieser opulenten und detailverliebten Epoche auf und gab ihnen eine bis heute anhaltende Präsenz in stilistischen Entwicklungen. In diesem Artikel werfen wir einen detaillierten Blick auf prägende Elemente der viktorianischen Inneneinrichtung und zeigen, wie ihr Erbe bis in die moderne Zeit hineinwirkt.

Opulente Materialien und aufwendige Dekore

In viktorianischen Interieurs dominierten Vorhangstoffe aus edlem Samt, Brokat oder Damast. Diese Stoffe waren nicht nur dekorativ und weich im Griff, sondern dienten auch dazu, Privatsphäre zu schaffen und Räume behaglich zu machen. Vorhänge, Draperien und Polsterungen waren oft mit schweren Quasten und Kordeln versehen. Solche luxuriösen Textilien wurden in Deutschland im gehobenen Bürgertum beliebt, beeinflussten Muster und Stilrichtungen in regionalen Webereien und werden noch heute als Zeichen gediegener Gemütlichkeit und Kultiviertheit in exklusiven Einrichtungen eingesetzt.

Einfluss exotischer und historistischer Strömungen

Orientalismus und Chinoiserie

Die Faszination für ferne Länder zeigte sich im begeisterten Einsatz von exotischen Motiven. Möbel, Porzellan und Tapeten schmückten fernöstliche Drachen, Pfauenfedern oder Palmenornamente. Auch der sogenannte „Maharadscha-Stil“ hielt Einzug in repräsentative Räume. In Deutschland wurden diese Tendenzen vor allem durch Kolonialwaren- und Kuriositätengeschäfte verbreitet. Die Begeisterung für den eklektischen Stilmix lebt in heutigen Wohntrends wieder auf: Exotische Muster und ungewöhnliche Accessoires fügen sich selbstverständlich in moderne Interior-Konzepte ein.

Neogotik und Neorenaissance

Auch die Rückbesinnung auf vergangene Kulturepochen prägte das Zeitalter. Gotisierende Spitzbögen, große Kamine, Buntglasfenster und neorenaissancehafte Decken gestalteten das Interieur prächtiger Stadtvillen. Besonders deutsche Fabrikanten waren stolz auf die Fertigung von Möbeln im neugotischen oder neoromanischen Stil. Solche Reminiszenzen finden sich heute in renovierten Gründerzeitbauten wieder. Historisierende Elemente werden gezielt als Kontrapunkt zur modernen Architektur eingesetzt.

Ethno-Chic und Global Inspiration

Die Sehnsucht nach Weltgewandtheit und Vielfalt lässt sich im heutigen Interior Design klar auf das viktorianische Zeitalter zurückführen. Vielreisende Geschäftsleute und Sammler brachten außereuropäische Objekte mit nach Hause und setzten sie gezielt als Schmuckstücke ein. Der Ethno-Chic als moderner Einrichtungsstil spielt mit ähnlichen Prinzipien: Kissenhüllen, Teppiche oder Lampen aus unterschiedlichen Kulturen wirken wie Fundstücke, die dem Raum Individualität und Persönlichkeit verleihen.

Funktionalität trifft Pracht: Die Gestaltung von Wohnräumen

Der Salon galt als Herz jeder viktorianischen Wohnung und diente der Repräsentation. Üppig möbliert und sorgfältig dekoriert, präsentierte der Salon Bücherregale, Sofagarnituren im Chesterfield-Stil und kunstvolle Beistelltische. Für Gäste wurden kunstvoll arrangierte Blumen, Zierporzellan und Teeservices bereitgestellt. In Deutschland griff das gehobene Bürgertum dieses Konzept auf und entwickelte daraus das traditionelle Wohnzimmer als Ort des Austauschs, der Gastlichkeit und der gemeinsamen Erholung. Das Prinzip eines multifunktionalen Wohlfühlraums ist bis heute fester Bestandteil des Wohnens.